Meine Stomatherapeutin und der Umgang mit dem Stoma

Wie viele Tage ich auf der Überwachungsstation lag, kann ich Euch nicht sagen. Es fühlte sich an wie mehrere Wochen, dabei waren es nur wenige Tage. In dieser Zeit passierte sehr viel, deshalb kam es mir wahrscheinlich so lang vor. "Die Station dazwischen" habe ich vor vier Jahren gesagt. Ich war "zu gut" für die Intensivstation und "zu schlecht" für die Normalstation. Gut überwacht wurde ich dort auf jeden Fall.


Auf der Überwachungsstation

Mittlerweile nervten mich die Monitore, die Kabel und Zugänge. Ich konnte und wollte mich aus Angst nicht bewegen. An dem ersten Tag sah ich endlich meine Familie wieder. Mein Partner Nico besuchte mich, meine Eltern und Nicos Eltern. Sie freuten sich, mich zu sehen und dass es mir den Umständen entsprechend gut ging. Nico brachte mir mein Smartphone mit. Ich schaute kurz auf das Display und sah einige Nachrichten von Freunden und meiner Familie. Ich kam nicht dazu, sie zu lesen, weil mir in dem kurzen Moment wieder extrem übel und schwindelig wurde. Damit hatte ich noch einige Tage zu kämpfen.

Zwei Tage danach begann ich, kleine Schlucke zu trinken und sogar Joghurt zu essen. Doch als ich richtige Speisen wie Kartoffelpüree vor mir stehen hatte, verging mir der Appetit. Es vergingen mehrere Tage bis ich richtig essen konnte.

Schmerzen hatte ich in der gesamten Zeit so gut wie keine. Ich wurde ausreichend mit Schmerzmittel versorgt. Anfangs bekam ich zwischendurch Schmerzmittel gespritzt. Danach lief durchgehend eine Infusion gegen Schmerzen und anschließend bekam ich nur noch Tabletten dagegen. Ich konnte jedoch jeder Zeit klingeln und Bescheid geben, falls ich stärkere Schmerzen bekommen sollte.

Durch die Operation hatte ich immer noch einen hohen Blutverlust, weshalb ich erneut zwei Bluttransfusionen bekam. Ich fühlte mich gut aufgehoben, da während der Zufuhr regelmäßig eine Ärztin vorbei kam um nach mir zu schauen. Ich wusste, dass mir nichts passieren kann.


Der erste Stomabeutel-Wechsel

Tag 2 war der erste Tag, an dem ich bewusst mit dem Stoma konfrontiert wurde. Mein Partner war zu Besuch. Es war Wochenende, deshalb kam einer der Pfleger um den Beutel des Darmausgangs zu wechseln. Mir war nicht bewusst, was nun passierte, denn ich kannte mich mit dem Thema nicht aus. Ich wusste, dass es künstliche Darmausgänge gibt und dass ich nun einen besaß, aber weiter aufgeklärt war ich darüber nicht.

In der Zwischenzeit erfuhr ich, dass die beiden Herren in meinem Zimmer ebenfalls wegen einer Stoma-Operation auf der Überwachungsstation lagen. Viel mehr Kontakt hatte ich nicht zu ihnen. Der Herr gegenüber von mir war privat versichert. Deshalb bekam er jeden Morgen die Tageszeitung von einer jungen Dame in Rock, Bluse und hohen Schuhen gebracht – das ist kein Scherz. Er konnte jeden Morgen zwischen verschiedenen Brötchen und Aufschnitt wählen.

Als der Pfleger begann, die Platte des Beutels zu lösen, überkam mich ein Schmerz, denn nach der Operation war ich sehr empfindlich in der Bauchregion. Ich presste den gesamten Wechsel über meine Augen zusammen, hielt die Luft an und erdrückte Nicos Hand. Ich schaute mir den Teil des Darms, der aus meinem Bauch ragte, nicht an. Es ist völlig in Ordnung, sich dem nicht direkt stellen zu können. So etwas sieht man normalerweise nicht jeden Tag. Den Umgang mit meinem Stoma musste ich erst noch lernen. Ich war erleichtert, als der Pfleger fertig mit dem Wechsel war und ich zugedeckt wurde.

Die Tage über hatte ich leider weiterhin mit Kreislaufproblemen und Übelkeit zu kämpfen. Wahrscheinlich waren die Medikamente aus der Narkose zu viel für mich. Doch ich hatte alle Zeit der Welt. Niemand verlangte von mir, dass ich einen Tag später auf den Beinen stehen würde. Ich wusste, dass ein Schlauch von meinem Stomabeutel zu einem weiteren Behälter führte. Der Inhalt war gelb/grünlich und sah überhaupt nicht so aus wie etwas, was normalerweise aus dem Darm geschieden wird. Klar, der Schritt des Dickdarms fehlte, deshalb wurde dem Darminhalt kein Wasser entzogen.

"Vor dem Anblick ekelte ich mich nicht, ich fand es sogar interessant anzusehen."

An dem Wochenende wurde ich mehrfach von Ärzten besucht. Sie versuchten, mich über den Darmausgang aufzuklären. Sie gaben mir Flyer über bestimmte Gruppen im Internet, Selbsthilfegruppen in meiner Nähe und Vereine, an die ich mich wenden könnte.

Die erste Begegnung mit der Stomatherapeutin

Am Montag sah ich zum ersten Mal meine Stomatherapeutin. Sie war groß und ihre Art schüchterte mich etwas ein. Ich hätte mir gewünscht, dass sie etwas einfühlsamer gewesen wäre, doch es ist ihr Job und nichts Neues für sie. Wahrscheinlich war sie mit der Zeit abgestumpft.  


Sie erzählte mir, dass sie zuvor auf der Kinderstation war und mit den Kindern geübt hatte, wie man Beutel wechselt und dass die Kinder um einiges weniger Probleme haben, den Ausgang zu akzeptieren. Nun war ich wieder an der Reihe. Ich verspürte den gleichen Schmerz wie bei dem Wechsel zwei Tage zuvor. Dieses Mal schaute ich genau hin und erkannte, wieso ich diese Schmerzen hatte. Ich sah, wie mich etwas rot-glänzendes anguckte. Ich sah zum ersten Mal bewusst meinen Darm. Die durchblutete Schleimhaut und Fäden, mit denen der Darm festgenäht wurde, was die Schmerzen beim Wechsel erklärte. Die Fäden sollten sich selber auflösen – zum Glück.


Die Therapeutin steckte mir einen Flyer in die Hand und erklärte mir, dass ich zwischen vier verschiedenen Versorgern für meine Heimversorgung wählen sollte. Sie würde der jeweiligen Firma meine Kontaktdaten zukommen lassen. In dem Moment war ich komplett überfordert. Ich hatte zuvor nicht eine Sekunde an die Zeit zu Hause gedacht. Auf dem Blatt waren zwar die Firmen und zusätzlich ein paar Stichpunkte aufgezählt, aber wie sollte ich entscheiden, welcher Versorger für mich in Frage käme? Sie versicherte mir, dass ich mir bei der Auswahl Zeit lassen könne, deshalb beschäftigte ich mich vorerst nicht mehr mit dem Thema und konzentrierte mich auf meine Genesung.

Mittlerweile wurde ich mobiler. Ich konnte auf der Seite schlafen und mich mit nur leichten Schmerzen aufsetzen um mich zu waschen und mir die Zähne zu putzen.
Die Stomatherapeutin kam täglich zu mir, um das Stoma zu wechseln aber dazu später mehr…


Diese Erkenntnisse solltest Du für Dich mitnehmen:

Nimm Dir die Zeit, die Du brauchst.
Es gibt gute und schlechte Tage.
Du kannst nicht von jetzt auf gleich gesund werden.