Meine Zeit im Krankenhaus

Ich entschied mich also in die Notaufnahme zu fahren. Da ich wusste, dass ich stationär aufgenommen werden würde, packte mein Partner Nico eine Tasche mit den wichtigsten Dingen für den Krankenhausaufenthalt: Unterwäsche, Schlafanzug, Jogginghose, ein paar Shirts, Hausschlappen, ein kleines Kopfkissen, Handyladekabel, Kopfhörer, ein Buch, meine täglichen Medikamente, Shampoo, Haarbürste, Duschgel, Creme, Zahnbürste und Zahnpasta. Wir fuhren ca. 30 Minuten bis zur Klinik.

Der erste Krankenhausaufenthalt

Die Anmeldung erfolgte schnell, ich schilderte meine Beschwerden. Ich sollte meine Schmerzen auf einer Skala von eins bis zehn angeben. Dies war für mich sehr schwierig. Die Schmerzen waren nur schubweise über den Tag verteilt und nicht durchgehend. Sie waren zwar schlimm, aber ich wollte nicht ehrlich sein und sie sehr hoch einstufen. Also entschied ich mich für eine sechs. Belastend, aber aushaltbar.  

Der Arzt entschied, dass ich stationär aufgenommen werde und zwei Tage später eine Darmspiegelung stattfinden sollte. Mein Zimmer war in dem Gebäude der inneren Medizin. Ich war sehr erleichtert, dass mir endlich geholfen wurde.

Ich bekam Schmerzmittel und eine Therapie mit Budesonid, ein lokal wirksames Cortison im Darm, wurde angeordnet. Ich hatte eine sehr nette Zimmernachbarin, an die ich mich wahrscheinlich noch lange erinnern werde. Sie selbst hatte eine Lebertransplantation und zusätzlich die chronisch entzündliche Darmerkrankung Colitis ulcerosa. Ihr Partner war an Morbus Crohn erkrankt. Sie und Nico gaben mir Mut, als ich das Abführmittel für die Darmspiegelung durch eine Magensonde zugeführt bekam, weil ich es durch meine Übelkeit nicht selbst trinken konnte.

Vor der Darmspiegelung selbst hatte ich keine Angst. Dennoch empfand ich die Situation als sehr unangenehm. Ehrlicherweise löste die Situation ein Schamgefühl bei mir aus. Der Tag kam schnell und ich war auf das Ergebnis gespannt. Es war wie ich es mir schon gedacht hatte: Der Übergang zwischen Dünn- und Dickdarm war entzündet. So stark, dass sie mit dem Endoskop nicht mal mehr in diesen Teil reinschauen konnten. Der Entzündungswert war bei ca. 200 und mein Eisenspeicher so niedrig, dass ich eine Eiseninfusion bekam.

"Ich war für Studierende das perfekte Beispiel für eine Morbus Crohn-Erkrankte."

Mittlerweile hatte ich eine neue Zimmernachbarin. Eine ältere Frau, die einige Tage wegen einer Lungenentzündung auf der Intensivstation lag und nun wieder auf die Normalstation verlegt wurde. Die Zeit mit ihr war anstrengend, aber wir hatten auch viele lustige Situationen. Trotz ihrer Lungenerkrankung schlich sie sich heimlich nach draußen, um zu rauchen und nahm ihre Tabletten ausschließlich mit Cola. In der Nacht bekam ich kaum Schlaf, da sie andauernd nach ihrer Mutter, nach Hilfe oder der Polizei rief. Sie hatte volle Kontrolle über die TV-Fernbedienung, bis ich mir eine App zur Steuerung des Fernsehers auf meinem Handy installierte.
Ich schaltete die Programme ein, die ich schauen wollte und schaltete den Fernseher um 23 Uhr aus. Insgesamt habe ich an die Zeit im Krankenhaus nicht nur schlechte Erinnerungen. Wenn ich an manche Situationen zurückdenke, muss ich sogar etwas schmunzeln.

Durch die starke Entzündung wurde ich nun mit dem stärkeren Cortison, Prednisolon, therapiert. Ich nahm eine höhere Dosis morgens, einmal am Tag. Doch trotz der Medikamente hatte ich mehrmals am Tag sehr starke Bauchschmerzen, besonders nach dem Essen und zusätzlich auch noch Übelkeit. Durch das Cortison wurden die Beschwerden allerdings etwas besser und der Entzündungswert sank, sodass ich nach zwei Wochen wieder nach Hause entlassen wurde.

Am Tag nach der Entlassung wurde ich bei meiner Hausärztin vorstellig, sie nahm mir Blut ab und zwei Tage später erschien ich zur Besprechung meiner Blutwerte. Sie teilte mir mit, dass die Entzündungswerte wieder gestiegen seien, trotz des Cortisons.

Der zweite Krankenhausaufenthalt

Sie schickte mich erneut stationär ins Krankenhaus. Dieses hin und her passte mir gar nicht. Ich wäre am liebsten zu Hause geblieben, ich wollte nicht erneut ins Krankenhaus. Ich hatte sowohl den gebuchten Urlaub mit Nico im Kopf, als auch mein bevorstehendes Vorstellungsgespräch.  

Mittlerweile weiß ich, was ich für ein Glück hatte, doch ins Krankenhaus gefahren zu sein. Es ging auf die gleiche Station, auf der ich vorher lag. Die Ärzte und Pfleger erinnerten sich noch an mich.

An der Therapie änderte sich nichts, ich nahm weiter Cortison und bekam die Schmerzmittel intravenös. Ich fragte mich, wieso ich dafür überhaupt im Krankenhaus liegen muss. Bauchschmerzen und Übelkeit standen auf dem Tagesplan, jedoch ohne die typischen Durchfälle. Da es nicht mehr lange bis zu unserem Gran Canaria Urlaub war, nutzten wir unsere Reiserücktrittsversicherung. Es war sehr deprimierend. Ich war wütend und traurig, weil wir uns so sehr auf diese Reise gefreut hatten und es im Krankenhaus einfach nicht weiter ging. Ich fühlte mich zurückgelassen, die Ärzte schienen sich kaum für mich zu interessieren, es wurde nur mit Cortison therapiert, nicht weiter untersucht und ich war für Studierende das perfekte Anschauungsbeispiel für eine Morbus Crohn-Erkrankte. Regelmäßig kamen Studierende vorbei und sollten durch Fragen herausfinden, welche Erkrankung ich habe und mich untersuchen. Natürlich traute ich mich nicht nein zu sagen.  
Mittlerweile zeigte die Waage nur noch 47 kg an – viel zu wenig für meine Größe.

Nach ca. 12 Tagen begann meine persönliche Horrorgeschichte

Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass ich zu Abend ein Ei aß. Wenige Stunden später musste ich mich übergeben und hatte gleichzeitig starken Durchfall. Ich bekam ein Mittel gegen Übelkeit und gegen meine Bauchschmerzen intravenös. Am Morgen wollte ich zur Toilette gehen, mir wurde plötzlich so schwindelig, dass ich zusammenbrach. Meine Zimmernachbarin klingelte nach den Pflegern. In der Zwischenzeit wurde ich wieder wach und legte mich in mein Bett. Mir ging es in dem Moment nicht schlecht, es war nur mein Kreislauf, der versagt hatte. Eine halbe Stunde später kam die Pflegerin, um zu schauen, wieso wir geklingelt hatten. Natürlich hätte in der halben Stunde schlimmeres passieren können, aber durch meine Arbeit auf der Intensivstation weiß ich, wie sehr die Krankenpfleger unter dem Fachkräftemangel leiden.

Da die üblichen Schmerzmittel wie Paracetamol und Metamizol nicht mehr gegen die Bauchschmerzen halfen, wurden Infusionen mit Piritramid, einem Betäubungsmittel, für mich aufgezogen. An demselben Morgen schaffte ich es vor Schmerzen und Übelkeit nicht mehr zu frühstücken. Ich war glücklich als ich hörte, dass ich einen Röntgentermin für den Tag hatte. Endlich passierte etwas. Meine Mutter war zu dem Zeitpunkt zu Besuch und begleitete mich zum Röntgen. Wegen meiner Schmerzen und meinem Untergewicht, brachte mich ein ,,Begleitdienst‘‘ im Rollstuhl zum Röntgen. Ich sollte mich vor eine Platte stellen, was ich selbst nicht mehr schaffte. Ich hatte extreme Kreislaufprobleme, mir wurde schwindelig, sobald ich mich hinstellte. Ein Mitarbeiter hob mich auf eine Liege und röntge mich so. Vor Schwindel konnte ich nicht mehr im Rollstuhl sitzen und wurde deshalb mit der Liege zurück auf Station gebracht.  

An diesem Nachmittag konnte mich Nico nicht besuchen, dafür standen mir meine Schwester und meine Mutter zur Seite. Ich bekam zum ersten Mal eine Infusion, in die ein Mittel gegen Übelkeit und zwei Schmerzmittel gemischt wurden. Sie sollte über einen längeren Zeitraum laufen. Nach der halben Flasche Infusionslösung ging es mir auf einmal richtig gut. Ich hatte keine Übelkeit, keine Schmerzen und ich war so fit, dass wir Karten spielten und zu Abend aßen. Mit der Oberärztin redete ich sogar schon über die Entlassung am nächsten Tag. Meine Mutter, meine Schwester und ich freuten uns über diesen Fortschritt. Es war erleichternd, dass endlich etwas half. Am Abend telefonierte ich noch mit Nico und ging schlafen, bis ich mit unaushaltbaren Schmerzen mitten in der Nacht aufwachte.
Ich forderte innerhalb einer Stunde mehrmals Schmerzmittel an und ich wusste, dass etwas mit mir nicht stimmt….

Diese Erkenntnisse solltest Du für Dich mitnehmen:

Gehe lieber zu früh zum Arzt, als zu spät.
Versuche, in jeder schlechten Situation etwas Gute zu sehen.
Nur, wenn Du über Deine Probleme redest, kann Dir geholfen werden.